Ist doch alles ganz anders, als wir "denken"?

Ich freue mich sehr darüber, dass es langsam immer mehr auffällt, wie sehr der Verstand uns ununterbrochen in die Irre führen will. Wie er mit uns seine Spielchen treibt, die mit dem wahren Leben nichts zu tun haben. Wie sehr er uns fernhält von dem, was wir wirklich sind – und immer subtilere Methoden anwenden muss, um nur ja kein Hintertürchen offenzulassen, durch das wir erkennen könnten, dass wir NICHT sind, was wir denken.

 

Denn ist es nicht so, dass der Verstand das Geschehene immer erst ein paar Millisekunden, nachdem es bereits erschienen ist, kommentiert, interpretiert, bewertet, schlecht macht oder als sein eigenes genau so geplantes Ergebnis präsentiert? Und wenn er nicht hinterherhinkt, will er uns in die Zukunft schicken – um etwas, das bereits passiert ist, beim nächsten Mal besser oder schneller zu machen. Um uns ständig am Ball zu halten, es gäbe da noch etwas, das wir erreichen müssten, damit unser Leben perfekt wird, damit wir glücklich sind oder endlich erfolgreich im Job, in der Beziehung oder erfolgreich auf unserem spirituellen Weg?

 

Ein weiteres seiner heiß geliebten Spielchen ist, alte Bilder hochzuholen, uns in alte Emotionen zu verstricken, indem er das, was passiert, mit der Vergangenheit abgleicht, mit etwas, das wir schon einmal in ähnlicher Weise erlebt haben, um uns immer wieder zu verstehen zu geben, dass das Leben eine einzige Ansammlung von Unsicherheiten ist, denen man sich am besten nicht aussetzen sollte (oder nur, wenn man vorher intensiv im ach so schlauen Verstand nach Lösungen für noch nicht eingetretene Situationen gesucht und gut durchgeplant hat, wie man am besten damit zurecht kommen kann – Situationen, die in der Form dann oftmals gar nicht eintreten, weshalb auch diese Denk-Arbeit ständig ins Leere läuft). Denn es ist wirklich „Arbeit“, was da stattfindet – an die 60.000 Gedanken fliegen uns über den Tag verteilt durch den Kopf. Doch haben all diese Gedanken nur selten etwas mit dem Moment zu tun, indem wir uns gerade befinden, und wenn, dann wird der Moment zerlegt und analysiert. Wir sind somit immer die, die den Moment er-leben, die ihn  ablehnen, ändern oder daraus für die Zukunft Schlüsse ziehen wollen – niemals erlaubt uns der Verstand, das Er-Leben selbst zu sein.

 

Und das ist die große Trennung, unter der wir alle leiden. Wir sind nie eins mit dem Leben, sondern immer die, die sich scheinbar abgespalten vom großen Ganzen durchkämpfen müssen, damit sie irgendwann – natürlich immer in ferner Zukunft – endlich das finden können, was sie „ins Paradies eingehen lässt“.

 

Nun ist es langsam an der Zeit innezuhalten. Wir sind eingeladen, immer wieder in die Stille des gegenwärtigen Moments einzutauchen, um so zu erkennen, wie wenig wir mit den 60.000 Gedanken in unserem Kopf in Wahrheit zu tun haben. Und wie sehr wir uns immer genau dafür gehalten haben – für ein selbst denkendes und damit lenkendes Wesen in einer Welt aus Unsicherheit, Unordnung und Schmerz. Doch all dieser Schmerz konnte nur dadurch entstehen, dass wir uns in diesem ehrfürchtigen Glauben an unseren Verstand vom Leben abgespalten und auf das vergessen haben, was ungetrennt tatsächlich lebt. Genau jetzt. Genau hier. Unberührt vom Denken, unberührt von jedem noch so ausgetüftelten Plan unseres Kopfes, die Kontrolle zu behalten (die wir ohnehin noch nie hatten!). Jeder Versuch, das was passiert, zu verstehen, endet in einer Sackgasse – nämlich in der kleinen selbst konstruierten Welt in unserem Kopf, die nur zulässt, woran wir glauben. Jeder Versuch, das, was passiert, zu steuern, verläuft im Sand.

 

Der Verstand  ist ein Mechanismus, der in der Vergangenheit lebt und in der Vergangenheit Erlebtes ständig in die Zukunft projeziert, um diese für unsere Zwecke zu optimieren. Dadurch lässt er uns niemals die Unmittelbarkeit des Augenblicks er-leben, die die Essenz ist von dem, was wir in Wahrheit sind.

 

 

Erlaube dir immer wieder – ob über Yoga, deine Atmung, Zeit in Stille oder in der Natur – in deine Präsenz einzutauchen und erlebe dich frei von jeder vom Verstand auferlegten Identifikation mit jedem Atemzug neu. Auch wenn vielleicht kein Stein auf dem anderen bleiben wird, der Zauber des Seins wird dich auffangen und du wirst sehen: Auch ohne dein Denken hört das Leben nicht auf!